Der Haken mit den Stützrädern


Hilfen sind zunächst gut – und später oft schädlich.

 

Was würde passieren, wenn du tagsüber ein Stützkorsett trägst?

 

Zunächst hilft es dir, dich aufrecht zu halten und entlastet deinen Rücken. Warum kommt niemand von uns auf die Idee, immer ein Korsett zu tragen? Weil es uns schwächt. Unsere Muskeln würden zackig abbauen. In ein paar Monaten wären wir zum einen abhängig von der Stütze, zum anderen hätten wir kaum noch Rumpfmuskeln. Das ist uns allen logisch.

 

Nur die Übertragung dieses, ähm, „Korsett-Prinzips“ fällt uns oft sehr schwer.



Jetzt brauchen wir noch ein paar Beispiele:

 

  • Warum soll Barfußlaufen so gesund sein? Weil die kleinen Muskeln (sowie die Wahrnehmung) trainiert werden.
  • Du willst fitter werden und ein Studio besuchen? Die effektivsten Übungen sind die freien – nicht die geführten Bewegungen.
  • Wer möchte nur noch warm duschen und es stets muckelig haben? Der Preis: Man ist häufiger kränklich.
  • Meditations-App? Für den Anfang toll – aber unsere „Mentalen Muskeln“ trainieren wir somit nicht optimal.
  • Essen einfach nicht mehr kauen? Kaumuskeln werden schwächer und können schlechter entspannen. Wir haben unserem Hund früher bewusst harte Knochen gegeben – Training und Entspannung zugleich.
  • Den Fahrstuhl nutzen? Da verpassen wir eine gratis Option, unser Herz-Kreislauf-System zu stärken.
  • Immer seinen Kindern bei den Schulaufgaben helfen? Oder sie nur mit Schwimmhilfen planschen lassen?

Dazu gibt es einen Spruch:

 

Wer Stärke leiht, baut Schwäche auf.

 

Es mag gut gemeint sein, anderen Menschen zu helfen. Aber es ist nicht automatisch gut.

 

Ich bin eigentlich Brillenträger. Eigentlich. Früher hatte ich 1,5 Dioptrien. Seit 20 Jahren brauche ich nur noch 0,5. Ein Augenarzt sagte mir einmal:

 

„Tragen Sie die Brille nur, wenn Sie sie wirklich brauchen. Sonst gewöhnen sich Ihre Augen an die Stärke. Ihre Muskeln bauen ab und bald brauchen Sie wieder eine neue Brille.“

Seitdem trage ich eine Brille nur beim Autofahren und im Kino oder, wenn ich gescheit aussehen will. Übrigens wird jeder Optiker dieses Prinzip abstreiten.

 

Zu viel oder zu lange Unterstützung baut auf lange Sicht Abhängigkeit und Schwächen auf. Egal, ob wir von unserem Körper oder unserem Geist sprechen. Sogar, wenn es um unsere Nächsten geht:

Helfen und Geben ist toll!

Aber leider sollten wir klug dabei agieren:

Es kommt – wie so immer – auf die Dosis und das Timing an. Klar, haben wir mit Stützrädern Radfahren begonnen. Mein Dad ist wie ein Blöder jedem seiner vier Jungs hinterhergerannt, als die Stützen das erste Mal abgenommen wurden. Aber inzwischen läuft er nicht mehr neben uns her.

 

Zusammengefasst:

 

Wenn wir etwas Neues lernen, eine Blockade oder eine Verletzung haben, sind Hilfen sinnvoll - aber nur anfänglich. Danach schwächen sie uns oft.


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Heiko Edsen

Speaker, Trainer und FreiLenker

 

„...ich liebe es, andere zu ermutigen, scheinbare Grenzen zu verschieben!“

 

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