
Manchmal werde ich von einem Kumpel angezählt: „Heiko, du betreibst gerade Ziel-Invertierung!“
Ziel-Invertierung?
Das nennt sich so, wenn wir die nächste Folge Vikings schauen wollen und merken, dass unsere Verbindung heute nicht läuft, und wir uns dann sagen:
„Prima, wir wollten doch eh die Känguru-Chroniken weiterhören!“
Wir hatten ein Ziel X, können es gerade nicht erreichen, und tun so, als ob wir eigentlich das Ziel Y gehabt hätten – oder dieses „ohnehin besser für uns wäre.“
Andere würden es „Chronisches Positives Denken“, „Rosarote Brille“ oder „Verblendung“ nennen.
Mit dieser Einstellung sind wir kurzfristig sicherlich glücklicher. Aber die Sache hat – wie so alles – einen Haken: Ziel-Invertierung belastet unser Leben, wenn wir sie immer anwenden. Das wäre so, als ob wir in unserer Werkzeugkiste nur einen Hammer hätten – und nur weil er da ist, überall mit einem Hammer draufschlagen müssten.
Nehmen wir einmal an, Jonas möchte weniger Schokolade essen – aber mehr Bananen und Gurken. Ziel ist klar: gesünder, fitter, 3,5kg weniger Speck… blabla.
Nach 5 Tagen bietet ihm jemand eine Karamel-Nuss-Schoki an. Er hatte vorher Hunger, vergessen sich seinen Smoothie zu machen und – kann nicht anders. Er atmet die Tafel ein. Danach sagt er sich:
„Dafür konnte ich nichts, es wäre unhöflich gewesen, Nein zu sagen. Außerdem muss man sich auch mal was gönnen.“
MÖÖÖP! Ziel-Invertierung! Ein schlechtes Gewissen wird er trotzdem haben – und so seine Ziele sicher nicht erreichen. Jeder von uns versteht den armen Jonas, aber mit Mitgefühl und Ziel-Invertierung erreichen wir nur schwer unsere wahren Ziele.
Wir Menschen sind Meister darin, uns später die „Wahrheit“ zurechtzubiegen. Wir finden für alles eine logische Erklärung – wenn wir nur wollen. Das blöde an dieser Selbstveräppelung ist nur, dass wir so auf Dauer nicht dazulernen und immer wieder in unsere alten Muster verfallen.
Vorschlag für ein Prinzip:
Wenn wir gerade nichts verändern können, biegen wir uns munter unsere Realität zurecht. Aber von Zeit zu Zeit beleuchten wir unser Leben brutal ehrlich – und probieren bei Fehlern beim nächsten Mal etwas anderes aus.
(Jonas könnte in Zukunft immer eine Banane für Heißhunger-Attacken dabeihaben. Wenn das nicht klappt, probiert er es mit Hypnose… oder…)
Die „rosarote-happy-Einhorn-Brille“ ist aber nicht nur schlecht. Bei der Ziel-Invertierung kommt es auf das Timing an:
Wenn wir 14 Tage den Monsunregen aushalten müssen, dann nützt uns eine positive Sichtweise – vorerst: „Hey, so haben wir mehr Zeit, die Tänze in den Bollywood-Filmen zu lernen!“
Aber im Flieger dürften wir über unseren Fehler nachdenken: Bei der nächsten Urlaubsplanung informieren wir uns vorher, warum die Sommermonate in Indien so günstig sind.
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